VIDEO FALLBEISPIEL 1
Wie kann man den Hornspalt aus Fallbeispiel 1 genau definieren?
Es ist ein durchdringender spontan am Kronrand auftretender Hornspalt an der Seitenwand der Hornkapsel. Dieser kann sowohl lateral als auch medial auftreten.
Was ist die Ursache für den Hornspalt?
Der proximal verschobene lateropalmare Anteil der Hornkapsel verhindert die Expansion des Hufknorpels. Der intern auftretende Druck sprengt die Hornkapsel.
Vereinfacht: Äußerer hinterer Anteil des Hufes ist Richtung Pferderumpf verschoben und das behindert den Hufknorpel an der natürlichen Ausdehnung.
Warum ist der lateropalmare Anteil verschoben?
Die einwirkende proximal wirkende Kraft hat über die Elastizitätsgrenze der Hornkapsel gewirkt und führte zu einer dauerhaften Verformung.
Kraft < Elastizitätsgrenze = elastische Verformung { temporär
Kraft > Elastizitätsgrenze = plastische Verformung { permanent
Warum wirkt die Kraft so stark auf den lateralen Hufabschnitt?
Beim Auffußen belastet der Huf initial mit der lateralen Trachte den Boden (initialer Peak )
Die auf den Huf wirkende Bodenreaktionskraft konzentriert sich dabei für einen zu langen Zeitraum auf den lateralen Hufabschnitt, bis sie in gespeicherte kinetische Energie (Fesselträger), elastische Verformung der visko-elastischen Gewebe (Knorpel, Bindegewebe, Strahlhorn, Hufkissen ) und Wärme umgewandelt wird.
Was ist die Ursache für diese unausgeglichene Belastung?
Die Ursache sind hier die zu lang gelassenen Trachten (dorsopalmare Imbalance). Als auch die im Verhältnis längere laterale Seitenwand bzw. Trachte (mediolaterale Imbalance).
Welche Wirkung hat ein Eisen in diesem Fall?
Durch Ausschalten der strukturellen Flexibilität des Hufes verstärkt es die schädliche einseitig wirkende Kraft.
Ist der Beschlag die Ursache das Hornspalts?
Nein. Ursächlich ist hier die mediolaterale und dorsopalmare Imbalance, die aus der falsch interpretierten Stellung resultierte. Damit kam es zu einer permanenten Fehlbelastung der Hornkapsel.
Können auch Barhufer Hornspalte bekommen?
Ja, auch bei einem Barhufer kann die Hornkapsel aufgrund einer repetetiven submaximalen Belastung aus einer exogenem Imbalance deformiert werden. Dies kann einen Hornspalt provozieren.
Ist diese Imbalance endogen oder exogene?
Es ist eine durch den Hufbearbeiter verursachte von außen (exogene) wirkende Fehlstellung.
Wie unterscheide ich endogene von exogenen Imbalancen?
• durch Kenntnisse der natürlich auftretenden biomechanischer Imbalancen im Bewegungsapparats des Pferdes (endogene Imbalancen)
• durch Analyse der Pferde, ihrer individuellen Bewegung und der daraus resultierenden Belastung bzw. Hufform .
• durch Analyse der Hufmorphologie und den überlasteten Struktur-Differenzen
Wie wird der Hornspalt kuriert?
• durch die Beseitigung der Ursache
• durch Analysieren, Korrigieren und Wiederherstellen von dynamischer Balance
Nur durch das Vermitteln der, während der Stützbeinphase auf den Huf einwirkenden Kräfte (dynamische Balance), und durch eine Readaption der plastischen Verformung kann der Hornspalt dauerhaft ausheilen. Das Kleben oder Klammern ist nur eine Symptom bezogene Behandlung, beseitigt aber nicht die Ursache.
Sollte ein Hornspalt mit Kleber oder klammern fixiert werden?
Klammern oder Kleben kann bei einem schmerzhaften Hornspalt, der mit Lahmheit verbunden ist, kurzfristig sinnvoll sein, um die sich gegeneinander verschiebenden Hornabschnitte zu fixieren.
Aber nur, wenn parallel ursächlich behandelt wird, ist diese Behandlung als Teil der Therapie kurativ.
Warum ist das Absenken der hochgestauchten lateralen Wand so wichtig?
Nur wenn der lateropalmare Wandabschnitt wieder auf ein zum Hufbein passenden physiologisches Niveau abgesenkt ist, kann der Hufknorpel seine stoßbrechende Funktionalität ohne interne und externe Schädigungsmomente ausführen.
Wie kann der hochgestauchte Wandabschnitt wieder abgesenkt werden?
Die plastische Verformung readaptiert am einfachsten mit einem dem ursächlichen Vektor gegenläufigen Impuls.
Der laterale Wandabschnitt wird während der Stützbeinphase mit einer über der Elastizitätsgrenze liegenden distal wirkenden Kraft belastet.
Beim Ausschneiden wird der Hufabschnitt distal des Hornspaltes mit einer Schwebe zum Boden versehen.
Bei vollständiger Belastung des Hufes wird der laterale Anteil der Hornkapsel einen Impuls in distaler Richtung erhalten und der Wandabschnitt senkt sich auf Boden Niveau ab.
Barhuf, Kunsstoff-, Alu- oder Eisen-Beschlag?
Es ist mit Barhuf als auch mit Alternativ- und Metall-Beschlägen möglich den Hornspalt erfolgreich zu behandeln.
Ob mit Beschlag oder ohne Beschlag, – diese Frage ist nicht zielführend, sondern einzig allein die Frage wie das Pferd in seine physiologische Hufform, individuelle dynamische Balance und komfortable Bewegung gebracht werden kann.
Welchen Vorteil hat ein fester Beschlag ?
Das Absenken des hochgestauchten Wandabschnittes ist mit einer Schwebe und einem starren Beschlag schneller und effektiver zu realisieren. Der distal wirkende Impuls wird bei jeder Belastung des Hufes voll umgesetzt.
Der negative Aspekt eines starren Beschlags (Unflexibilität) kann in diesem Fall zur Readaption der Deformation genutzt werden und führt bei richtiger Anwendung zu einer schnelleren vollständigen Genesung und somit Schmerzfreiheit.
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ALLGEMEIN
Was ist mit einer „Hufbalance“ gemeint?
Der Begriff Hufbalance ist ein häufig benutzter Terminus ohne exakte Definition. Ursächlich dafür sind die vielen einflussnehmenden Vektoren und die Schwierigkeit sie allgemeingültig zu definieren. Vereinfacht kann man sagen, dass es darum geht, die während der Lokomotion auftretenden Kräfte innerhalb eines tolerablen Bereiches zu belassen. Eine Kraft hat immer einen Ursprung, eine Größe und einen Punkt an der sie wirkt. Diese Kräfte zu ermitteln und innerhalb eines Toleranzbereiches zu vermitteln ist die Aufgabe von Hufbalance.
Was ist eine „mediolaterale“ Hufbalance?
Die mediolaterale Balance ist das Gleichgewicht von innerer und äußerer Hufhälfte. Die jeweils kontralateralen Hufabschnitte sollten in der Bewegung, der dem individuellen Pferd entsprechenden Fußungsmuster entsprechende, ausgeglichenen Belastungen ausgesetzt sein. Beim Ausschneiden und beim Beschlagen ist es immer das Ziel, diese Balance zu gewährleisten ( medial = lateral ). Ziel ist es, das Hufbein so zum Boden auszurichten, dass parallele Gelenkspalten der distalen Gelenke erreicht werden.
Was bedeutet „dorsopalmare“ Hufbalance?
Dorsopalmare Hufbalance ist das Gleichgewicht der palmaren Hufflächen von Zehe zu Trachte und die damit korrelierenden, auf den Huf wirkenden Kräfte. Dieses Verhältnis wird durch die Länge der Trachte, der Verlauf des Tragerandes und der Länge der Zehe definiert.
Wann spricht man von einer Huf-„Imbalance“?
Eine Hufimbalance ist die unausgeglichene Belastung zwischen den kontralateralen Hufstrukturen. Ausgelöst durch physiologisch bedingte Unregelmäßigkeiten der Gliedmaßen (endogene Imbalancen) oder durch unphysiologisch zu lang gelassene Hufabschnitte (exogene Imbalancen)
Was heißt „mediolaterale“ Imbalance?
Das Missverhältnis von innerer zu äußerer Länge der Hornkapsel
Was heißt „dorsopalmare“ Imbalance?
Das Missverhältnis von Zehe zu Trachten Länge
Was ist eine „endogene“ Imbalance?
Dies ist eine physiologisch bedingte asymmetrische Gliedmaßenführung und Fußung. Aus den von uns gesammelten Informationen liegen die Abweichung von einem symmetrischen Ideal bei der Gliedmaßenführung und Fußung bei über 80 Prozent.
Was bedeutet eine „exogene“ Imbalance?
Eine exogene Imbalance ist eine durch äußere Einflüsse ausgelöste Imbalance. Durch falsche Haltung , Pathologien oder Fehlinterpretation eines Hufbearbeiters entstehen, im Verhältnis zur kontralateralen Struktur, zu lange Hornkapsel Abteilungen.
Was bedeutet Hufmorphologie?
Hufmorphologie ist die Form und Struktur der Hornkapsel. Es besteht eine eindeutige Kausalität zwischen der biomechanischen Funktionalität und der Form der Hufe. Die Hufmorphologie ist eine Anpassung auf die sich aus der Stellung und Gliedmaßenführung ergebenden Belastungen ( „Wolff’schen Gesetz“ Roesler 1987 ).
Der individuelle Huf des Pferdes kann sich jederzeit durch äußere und innere Einflüsse in seiner Gestalt, Form und Struktur verändern. Das Wachstum der Hornstrukturen ist wie ein Spiegelbild der Belastung, die der Huf temporär ausgesetzt war. Der Huf ist ein biomorphes Organ (biomorph – von den natürlichen Lebensvorgängen beeinflusst und geformt).
Was ist mit „repetitive submaximale“ Belastung gemeint?
Die repetitive submaximale Belastung ist die wiederholt auf einen Körper wirkende Kraft unterhalb der maximalen Belastung. Der häufigste Grund für eine orthopädische Sportverletzung ist nicht die Überschreitung der maximalen Belastungsgrenze (= Trauma), sondern die wiederholte submaximale Belastung (= Fehlbelastung). (Whitton et al 2010, Fleck et Eifler 2003)